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Interview mit Nadine von Body.chem zum Thema Nahrungsergänzungsmittel bei einer Salicylat-Intoleranz (SI)

von Nina / Informationen; NEM

Für Menschen mit Salicylat-Intoleranz kann es durch eine eingeschränkte Ernährung, aber auch durch Nährstoffräuber wie Medikamente und Stress zu einem Vitalstoff-Mangel kommen. Damit verbunden kann dieser zu zahlreichen Symptomen beitragen wie Haarausfall, ein verändertes Hautbild, Entzündungen im Körper, Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und eine allgemeine Schwächung des Immunsystems. Umso wichtiger ist es, Mängelzustände aufzudecken und auszugleichen. Oftmals gestaltet sich dieses Vorhaben jedoch als nicht so einfach, da Menschen mit Salicylat-Intoleranz (und ggf. auch Histaminose und Mastzellaktivierung) sehr empfindlich reagieren und eingenommene Nahrungsergänzungsmittel (NEM) zu Symptomen führen können.

 

Nadine ist selbst von der Salicylat-Intoleranz betroffen und hat u. a. auch die Diagnose Mastzellaktivierungssyndrom. Durch gezielte Nährstofftherapien konnte sie ihren gesundheitlichen Zustand insoweit stabilisieren, dass sie nicht mehr komplett bettlägerig ist und an Lebensqualität gewonnen hat. Heute informiert sie fachlich fundiert bei Facebook und ihrem Profil bei Instagram zum Thema körpereigene Biochemie. Ihre persönlichen Erfahrungen und ihre ursprüngliche Tätigkeit in der medizinischen Chemie, erweisen sich an dieser Stelle als hilfreiche Grundlagen.

 

Im Interview erfährst du einige wichtige Informationen zum Thema NEM und Salicylat-Intoleranz:

Welche Mikronähstoffe sind für Menschen mit Salicylat-Intoleranz in der Regel als Basis hilfreich?

Vor allem bei Betroffenen, bei denen die SI über das Cyclooxigenase 1-Enzym (COX 1) vermittelt wird, können Omega-3-Fettsäuren eine wichtige Rolle spielen. Eicosapentaensäure (EPA) konkurriert mit Arachidonsäure (AA) am COX-1-Enzym und am 5-Lipoxygenase-Enzym (LOX) um die Umwandlung. Während aus AA pro-entzündliche Prostaglandine und Leukotriene gebildet werden, entstehen aus EPA anti-entzündliche Prostaglandine und Leukotriene.

 

Auch Bor könnte ein Faktor sein bei einer SI. Bor kann die Entzündungsreaktion über das LOX-Enzym reduzieren, und das Entstehen von Leukotrienen vermindern. Allerdings kann Bor auch wiederum Einfluss auf die Balance der Geschlechtshormone haben, weswegen es insbesondere bei einer Östrogendominanz mit Vorsicht eingesetzt werden sollte.

Welche grundlegenden Tests können im Vorhinein sinnvoll sein, bevor NEM eingenommen werden?

Bevor willkürlich mit Nährstoffen gestartet wird, sollte man besser zuerst prüfen lassen, welche Nährstoffe individuell benötigt werden.

 

Bei den meisten Mineralien und Spurenelementen sollte die Messung im Vollblut erfolgen. Bei Vitaminen ist es unterschiedlich. Gerade der Status von B-Vitaminen ist sehr schwierig zu ermitteln. Trotz normaler Konzentrationen im Blut können hier bereits funktionelle Mängel bestehen, die besser mit funktionellen Biomarkern ermittelt werden sollten.

Beispiele: Vitamin B1 über die Aktivität der Transketolase, Vitamin B2 über das Enzym Glutathionreduktase in den Erythrozyten, Vitamin B3 über NAD (Nikotinamid-Adenin-Dinukleotid) und Vitamin B12 über Methylmalonsäure.

Manche Betroffene sind unsicher, ob Folsäure bei einer Salicylat-Intoleranz generell unverträglich ist und nicht eingenommen werden sollte. Was ist dazu interessant?

Das Folsäure-Molekül (auch Folat und Folinsäure) besteht aus mehreren Bausteinen. Eines davon ist ein Benzoesäure-Teil. Benzoesäure ist ein direkter struktureller Verwandter der Salicylsäure. Personen mit Salicylat-Intoleranz können daher auch auf Benzoesäure und ihre Salze (Benzoate) reagieren.

Der Benzoesäure-Teil in Folsäure ist jedoch in der Mitte des Moleküls fest als Amid (Benzamid) verbaut. Somit kann sich das Molekül gar nicht mehr wie Benzoesäure verhalten.

 

Die Ursachen einer Unverträglichkeit gegenüber Folsäure könnte stattdessen z. B. in einem gestörten Methylierungkreislauf liegen.

 

Von der Einnahme synthetischer Folsäure (Pteroylmonoglutaminsäure) ist generell abzuraten, da diese den Folatmetabolismus je nach Genetik stark beeinträchtigen kann (Stichwort: MTHFR-Mutation). Eine Alternative stellt Folat (aktive Folsäure) dar, die bei einer SI meistens gut vertragen wird.

Inwiefern ist Ascorbinsäure (Vit C) für Menschen mit Salicylat-Intoleranz verträglich? Gibt es dabei etwas zu beachten?

Es gibt immer wieder SI-Betroffene, die von einer Unverträglichkeitsreaktion auf Ascorbinsäure/Ascorbat berichten. Ob das tatsächlich mit der SI zusammen hängen könnte ist unklar, da es nicht grundsätzlich bei jedem mit SI auftritt.

Was auf jeden Fall wichtig ist zu beachten: Vitamin C in Form von Fruchtpulvern und Fruchtextrakten ist meistens nicht verträglich. Eine Alternative wäre z. B. die gepufferte Variante Calciumascorbat.

 

Ascorbinsäure ist keine aromatische Säure wie die Salicylsäure und unterscheidet sich strukturell deutlich von ihr und ihren Derivaten (Verwandten).

 

Was zum Beispiel denkbar sein könnte, wäre die Stimulation der Adrenalinrezeptoren durch Vitamin C. Dadurch kann eine Stressreaktion ausgelöst werden. Bei Personen mit erhöhtem Sympathikotonus könnte das die „Fight-or-Flight“-Reaktion verstärken.

 

Es gibt sogar eine Studie in der durch Vitamin C die Sensitivität des H1-Rezeptors an der Kaninchen-Hauptschlagader erhöht wurde. Das bedeutet, dass der Allergie- und Entzündungsbotenstoff Histamin intensiver wirken kann. Für Personen, die einen erhöhten Histaminspiegel haben, könnte dies zu einer Unverträglichkeitsreaktion führen. Da Vitamin C jedoch auch gleichzeitig am Histaminabbau beteiligt ist, ist unklar in welchem Umfang der Effekt dieser H1-Rezeptorsensitivität beim Menschen eine Rolle spielen könnte.

 

Eine weitere Ursache für eine Unverträglichkeit von Vitamin C könnte auch eine Oxalatunverträglichkeit sein. Oxalsäure ist ein Stoffwechselprodukt von Vitamin C.

Manche Betroffenen sind verunsichert, ob Ascorbinsäure in jedem Fall unverträglich sein könnte, weil sie wie die Salicylsäure zu den organischen Säuren gehört oder sogar alle organischen Säuren problematisch sein könnten. Welche Informationen sind dazu relevant?

Ascorbinsäure zählt zu den organischen Säuren, besitzt aber ein anderes Grundgerüst, sowie eine andere Art der Säuregruppe als Salicylsäure. Die Bezeichnung „Organische Säuren“ umfasst mehrere Substanzgruppen. Dazu zählen u. a. aromatische Carbonsäuren (Salicylsäure, Benzoesäure), aliphatische Carbonsäuren (Essigsäure, Fettsäuren), Enole (Vitamin C). Auch viele Phosphonsäure- und Sulfonsäureverbindungen zählen zu den organischen Säuren.

 

Zahlreiche organische Säuren sind an den metabolischen Prozessen in unserem Körper beteiligt, darunter Vitamine, Fettsäuren, Aminosäuren, Schilddrüsenhormone, Metaboliten des Citratzyklus (Energiegewinnung) und viele weitere lebensnotwendige Substanzen.

 

SI-Betroffene berichten immer mal wieder von einer Unverträglichkeit auf vereinzelte organische Säuren, wie Essigsäure oder Zitronensäure/Citrate. Jedoch könnten hier auch andere Ursachen dahinterstecken.

 

Beispiele:

  • Zitronensäure: Synthetische Zitronensäure wird über Fermentation durch einen Aspergillus-Schimmelpilz hergestellt. Bei einer Schimmelpilzallergie kann dies zu allergischen Reaktionen führen. Zitronensäure und ihre Salze, die Citrate, sind auch in der Lage zu einer körpereigenen Histaminausschüttung beizutragen. Sie zählen zu den sogenannten Histaminliberatoren.

  • Essigsäure: Essigsäure besitzt hohes allergisches Potential als Typ IV-Kontaktallergen. Je nach Verdünnung kann sie ätzend und reizend für Haut und Schleimhäute sein. Bereits eine 1%ige Lösung wirkt ätzend auf Schleimhäute. Als Vergleich: Speiseessig enthält ca. 5-6 % Essigsäure. Speiseessig, wie Balsamico-Essig ist zudem eine ordentliche Histaminbombe.

  • Oxalsäure: Oxalsäure ist eine Substanz, die in Pflanzen vorkommt und zu den Antinährstoffen zählt. Bei einer Oxalsäure-Unverträglichkeit kann es zu den verschiedensten Symptomen kommen. Die SI und die Oxalatintoleranz können auch gemeinsam auftreten

Natürlich sollte bei allem immer die individuelle Verträglichkeit berücksichtigt werden – unabhängig ob mit oder ohne Salicylat-Intoleranz.

Mastzellstabilisatoren wie Quercetin, Curcumin und Weihrauch können bei Menschen mit Salicylat-Intoleranz zu Symptomen führen bzw. diese verstärken. Welche Substanzen stellen mögliche Alternativen dar, um die Mastzellen zu stabilisieren?

Mögliche Alternativen zur Mastzellstabilisierung bei SI könnten sein:

  • Bifidobacterium longum

  • Palmitoylethanolamid (PEA)

  • Melatonin

  • L-Theanin (evtl. besser aus Mais als aus Tee)

  • Lactoferrin

  • Butyrat

  • Propionat

  • Vitamin B3 (z. B. als flushfreies Nikotinamid)

  • Vitamin D

  • Omega-3-Fettsäuren

Woran ist erkennbar, ob es sich um hochwertige Nahrungsergänzungsmittel handelt?

Bei hochwertigen NEM sollte jede Charge in einem externen Labor auf Schwermetalle und mikrobiologische Verunreinigungen geprüft sein. Eine Glasverpackung kann auch von Vorteil sein, da Plastikdosen häufig den Geruch an den Inhalt abgeben.

 

Ein guter Hersteller verwendet keine synthetische Folsäure (Pteroylmonoglutaminsäure) und kein synthetisches Vitamin B12 (Cyanocobalamin) oder kombiniert Calcium mit Eisen.

 

Außerdem sollten auch keine unnötigen Zusatzstoffe enthalten sein, wie z. B. Magnesiumstearat, Siliciumdioxid, Aromen oder Farbstoffe.

Betroffene reagieren oftmals sehr empfindlich bei einer Substitution mit NEM. Welche Tipps gibt es hier?

Das größte Risiko einer Unverträglichkeitsreaktion stellen pflanzliche NEM dar. Hier können Salicylate und verwandte Verbindungen, wie Benzoate, Phenole und Polyphenole enthalten sein.

 

Auch Präbiotika in Darmbakterienpräparaten können häufig zu Unverträglichkeitsreaktionen führen. Hinzu kommt in diesem Fall noch, dass es Bakterienstämme gibt, die Histamin bilden können. Daher sollte man bei einem gleichzeitigen Histaminproblem zu Produkten greifen, die explizit bei Histamin-Intoleranz geeignet sind. Ich komme z. B. am besten mit Bifidobakterien zurecht.

 

Wichtig ist, alles in kleinen Schritten einzuschleichen. Bei Vitamin B2 (Riboflavin) habe ich z. B. mit ganz kleinen Krümelchen angefangen und habe es anfangs nur alle 3 Tage genommen.

 

Es ist auch von Vorteil nicht direkt mit Multi-Präparaten zu beginnen oder mehrere Dinge auf einmal zu testen. Bei Frauen kann auch noch der Zyklus eine Rolle spielen. Zur Eisprung und zur PMS-Zeit kann die Verträglichkeit grundsätzlich schlechter sein. Um den Überblick zu behalten kann ein NEM-Tagebuch extrem nützlich sein.

Vielen Dank, liebe Nadine, an dieser Stelle für dieses aufschlussreiche Interview und deine Aufklärungsarbeit für Menschen mit chronischen Erkrankungen💜

 

Liebe Nina, vielen Dank für die Einladung zum Interview!

 

Wer mehr zum Thema „Biochemie, Mikronährstoffe und Intoleranzen“ erfahren möchte, kann Nadines Beiträgen bei > Facebook oder > Instagram folgen.

 

Hinweis: Die Inhalte dieses Beitrags dienen zur Information und Aufklärung und stellen keine Therapiemaßnahmen dar. Veränderungen von Therapien sollten immer mit dem behandelnden Therapeuten abgesprochen werden.

 


Quellen

Gröber U. Mikronährstoffe: Metabolic Tuning, Prävention, Therapie. 3., völlig überarb. und erw. Aufl. WVG, Wiss. Verl.-Ges; 2011.

Combs GF, McClung JP. The Vitamins: Fundamental Aspects in Nutrition and Health. Sixth edition. Academic Press; 2022.

Dillon PF, Root-Bernstein R, Robinson NE, Abraham WM, Berney C. Receptor-Mediated Enhancement of Beta Adrenergic Drug Activity by Ascorbate In Vitro and In Vivo. PLoS ONE. 2010;5(12):e15130. doi:10.1371/journal.pone.0015130

Dillon PF, Root-Bernstein RS, Lieder CM. Ascorbate enhancement of H1 histamine receptor sensitivity coincides with ascorbate oxidation inhibition by histamine receptors. Am J Physiol-Cell Physiol. 2006;291(5):C977-C984. doi:10.1152/ajpcell.00613.2005

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